Tuesday, March 17, 2009

Grosnys verlorene Kinder

In diesem Bericht aus der Serie Witness begleitet Ragi Omar den Arzt Khassan Baiev, der in seine Heimat Tschetschenien zurückgekehrt ist, um sich der schweren Hinterlassenschaft des Krieges anzunehmen. Damit ist auch die Zukunft seines Landes gemeint: nämlich die unzähligen Kinder, die während russischer Anschläge Ende der 1990er Jahre Arme und Beine verloren haben. Oder auf den immer noch unentschärften 500,000 Minenfeldern durch Unglücksfälle zu Opfern werden. Eine internationale Entschärfungskommission wurde von russischer Seite abgewiesen, seitdem bleiben große Flächen von Land unbrauchbar.
Eine Schwester vom Grosny State Kinderspital erzählt, daß Behinderungen bei Kindern nach Kriegsende stark zugenommen haben. So kamen viele Babys mit Gehirnschäden zur Welt oder anderen krankhaften Symptomen, die das Zentralnervensystem angreifen.
Dr. Baiev sieht sich mit einem anderen Phänomen konfrontiert: Kinder, die mit gespaltener Lippe geboren werden, das ihnen Nahrungsaufnahme schwierig und schmerzhaft macht. Eine direkte Folge der Schockeinwirkung, die schwangere Frauen damals in Panik und Sorge um sich und ihre Familien erfahren haben. „Vor dem Krieg habe ich vielleicht ein oder zwei solcher Kinder gesehen...nun beinahe jeden Tag,“ sagt Dr. Baiev erschüttert.
Nach seinem Dienst im Krankenhaus fährt er in ein abgelegenes kleines Dorf nahe der Grenze zu Inguschetien. Dort besucht er den 14-jährigen Muslim, der bei einem Spaziergang durch einen Friedhof über eine Granate stolperte, die explodierte.
Dr. Baviev hat dem Jungen versprochen, das nötige Geld für zwei Prothesen zu sammeln, die besser auf seine Beine passen, als die ungenauen vom staatlichen Krankenhaus. Der Junge soll wieder Fußballspielen können. Bis dahin muß er mit seinem Rollstuhl auf unebenem Erdboden zurechtkommen.
Für die vielen Eltern ist Dr. Baiev ein Held. Auch während des Krieges hat er im Keller seines Wohnhauses Notoperationen durchgeführt, um so viele Leben zu retten, als ihm nur möglich war.
„Ich bin keine Maschine...nur ein Mensch. Ich brauche Zeit, um das alles wieder vergessen zu können...Nein, ich bin kein Held...nur ein Doktor. Ein Mensch,“ sagt er mit tränenerstickter Stimme.


Der zweiteilige Bericht aus der Serie Witness vom Nachrichtensender Aljazeera zu finden unter:
http://de.youtube.com/watch?v=HLgVO8jo5vg&feature=channel

No comments: