Saturday, January 10, 2009

Burning Man / Der Standard

So etwas wie eine Fata Morgana

Mein literarischer Reisebericht über Burning Man nachzulesen in voller Länge im Standard / Album in der Serie Mein Amerika:

„See you there“ rief man sich bei der Abfahrt vom Parkareal zu. Obwohl wir uns immer noch nicht richtig vorstellen konnten, was uns erwartete, spürten wir Vorfreude auf das Unbekannte. Am meisten aber das seltsam-wunderbare Gefühl, an etwas Besonderem teilzuhaben.
Am Nachmittag erreichten wir einen kleinen Ort namens Gerlach, der eine letzte Gelegenheit bot, um den Tank aufzufüllen. Die öffentlichen Toiletten waren eine Vorwarnung auf die Reihen stinkender Klokabinen, die uns für die nächste Woche nicht erspart bleiben würden. Black Rock City, unser Endziel, war so etwas wie eine Fata Morgana. Es war auf keiner Karte zu finden, weil besagte Stadt sich nur einmal im Jahr aus den Zelten und Wohnmobilen ihrer tausenden Burning Man Pilger formierte. Vor uns eine Kolonne, die irgendwo in der Ferne nach rechts abbog. So ähnlich, stellten wir uns vor, musste die Stimmung beim Konzert der Stones in Altamont gewesen sein...
Unsere Ankunft wurde von einem Sandsturm verschluckt, der einer allerletzten Warnung an jene glich, die zudem Alkalistaub in Ohren und Nase nicht leiden konnten. Das Atmen fiel schwer. Leute, vermummt in Tüchern irrten auf ihren Fahrrädern umher. Platzanweiser in roten Perücken, Badehosen und Stiefeln schienen wie ein Fels in der Brandung. Ein Mädchen tauchte aus dem Nichts auf und verteilte Mundschutzmasken.
Der nächste Morgen präsentierte sich in einem tiefblauen Himmel ohne Wolken. Aus den Tiefen des RVs unseres Nachbarn kletterte ein Mann aus San Franzisko, der, bekleidet mit nur einem Bärenfell-Lendenschurz, uns zur Begrüßung, einem nach dem anderen herzlich umarmte. Er wünschte uns „crazyness, love and peace“ und machte sich auf zum Communal Washing Workshop. Wenn man von ihm auf Woodstock schließen konnte, haben wir vielleicht nicht allzu viel verpasst.
Vor zwanzig Jahren, als sich das ursprüngliche Event einer brennenden Statue zur Sonnwendfeier am Baker Beach (San Franzisko) so großer Beliebtheit erfreute, daß es die Aufmerksamkeit die Behörden weckte, wurde es kurzerhand in die Wüste verlegt. Damals, erzählte uns ein Burner-Veteran, ging es hier noch zu wie im wilden Westen. Leute rasten mit ihren Autos, einige schossen sogar mit Feuerwaffen durch die Gegend. Nun sei alles sehr kommerziell geworden. Schwer zu glauben inmitten eines Szenarios, das an Priscilla und Mad Max erinnerte.
Wir schlossen weitere Bekanntschaften - mit einem aus dem Gefängnis entlassenen Musiker aus Idaho, der mit seiner Freundin drei Jahre zuvor einen Frisörladen überfallen hatte.
Nicht zu vergessen jener Typ, der sein Bemühen am stillen Örtchen den Wartenden draußen durch ein Megaphon mitteilte...

Der Standard, 10/11. Jänner 2009
www.derstandard.at/Literatur

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